Wow! Ein völlig gegen den Bundestrend gehendes Wahlergebnis von über 30 Prozent bei den Landtagswahlen vom 4. September in Mecklenburg-Vorpommern lässt die sozialdemokratische Seele in diesen herausfordernden politischen Zeiten baumeln. Entsprechend fällt auch das Urteil des in seinem Amt bestätigten Ministerpräsidenten Erwin Sellering aus, indem er analysiert, dass die SPD „ein wirklich gutes Ergebnis unter diesen schwierigen Bedingungen erreicht“ habe.
Generalsekretärin Katarina Barley attestiert Sellering direkt nach der Wahl „unglaublich hohe Beliebtheitswerte“. Parteivorsitzender Sigmar Gabriel ergänzt, dass dieses Wahlresultat insbesondere dadurch zu erklären sei, dass die SPD im Land einfach „gute Politik“ gemacht und gekämpft habe.
In der Tat stand für die von Sellering und der SPD geführten großen Koalition mit der CDU der soziale Zusammenhalt ganz oben auf der Agenda. Unter dem ehemaligen Richter, der im Ruhrgebiet aufgewachsen ist und nach einem Kurzurlaub in Mecklenburg-Vorpommern dort seine neue Heimat fand, ging es mit der Wirtschaft und dem Tourismus stets bergauf und mit der Arbeitslosigkeit bergab. Zudem wurden die Ausgaben für Kitas deutlich erhöht. Mit welcher Konstellation der wiedergewählte Ministerpräsident weiterregieren wird, hänge insbesondere davon ab, mit welchen Koalitionspartnern die SPD ihre sozialverträgliche Politik fortführen könne, lässt Sellering im Rahmen eines Interviews in der ARD noch am Wahlabend verlauten. Trotzdem ist festzuhalten, dass die SPD, genau wie alle anderen etablierten Parteien, deutliche Verluste im Vergleich zur letzten Landtagswahl im nordöstlichen Seenland verkraften muss. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass mit der AfD, die direkt auf über 20 Prozent der Stimmen kam, der politische Ton im Vorfeld der Landtagswahlen rauer wurde und die Sachdiskussionen im Angesicht vom Schüren meist irrationaler Ängste und populistischen Scheinargumenten oft zu kurz kam.
Nachdenklich muss einen dabei stimmen, dass diese Wahl de facto eine Abstimmung über „Merkels Flüchtlingspolitik“ gewesen ist. Und das in einem Bundesland, in dem der Ausländeranteil noch nicht einmal vier Prozent beträgt und in dem auf 100 BürgerInnen noch nicht einmal zwei Geflüchtete kommen. Je weniger AusländerInnen in einem Bundesland, desto höher das Wahlergebnis der AfD. Diese Korrelation entbehrt jedem kausalen Zusammenhang und lässt mich schon seit vielen Monaten vergebens nach Antworten suchen. Wenn die Bundes-SPD aus diesem Wahlergebnis etwas lernen kann, dann das: Weniger über die AfD reden, intensiv sozialdemokratische Politik machen und dabei die Themen selbst setzen und sich nicht an der politischen Großwetterlage ausrichten. Dass man damit die Menschen überzeugen und Wahlen gewinnen kann, zeigt Mecklenburg-Vorpommern.