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der springende punkt.

Sozialdemokratie als Lifestyle

Sozialdemokratie als Lifestyle

In Zukunft werden auf der Webseite der Jusos Nürnberg unsere Artikel aus dem dsp (der springende punkt), der Parteizeitschrift der SPD Nürnberg veröffentlicht. Los geht es mit einem Beitrag unserer langjährigen stellvertretenden Vorsitzenden Tasja Prölß. Der Artikel erschien in der Dezemberausgabe des dsp unter dem Titel „Sozialdemokratie als Lifestyle“.


Über die aktuelle Situation und den Zustand der SPD gibt es inzwischen relativ viele – mal mehr mal weniger kluge – Expertisen und Analysen. Dieser Artikel genügt daher bewusst keinerlei wissenschaftlichen Standards, sondern ist bewusst etwas polemisch und soll zum Nachdenken anregen. Ausgehend von der Frage: Warum ist Bio kaufen cool, auch wenn die Avocado aus Chile kommt und wegen meiner Bio Avocado die Menschen vor Ort kein Wasser mehr haben? Warum schafft es die SPD nicht sich für einen Kohleausstieg stark zu machen, nur weil 20.000 Arbeitsplätze gefährdet sind von Menschen, die sowieso nicht mehr SPD wählen, obwohl die SPD genau solche Transformationsprozesse arbeitnehmerfreundlich mitgestaltet? Und warum kommen 25.000 Menschen in den Hambacher Wald, um ein paar Bäume zu retten und dabei ein Selfi zu machen – mit einem Smartphone für dessen Produktion Kobalt notwendig ist, das im Süden Kongos durch Kinderarbeit gewonnen wird und wofür in der neue Mega-Staudamm Inga III den Fluss Kongo staut?

Nachhaltigkeit, Bio und Grün sein ist Lifestyle!

Daher habe ich mir die Frage gestellt: Müssen wir als SPD einem Lifestyle entwickeln?  Einen Lifestyle von coolem im Café sitzen und dabei Armut bekämpfen, weil der Kaffee ein gutes Gewissen mitverkauft? Wie könnte Sozialdemokratie als Lifestyle aussehen? Ein Tagablauf als Gedankenexperiment:

Der Wecker klingelt um 6.00 Uhr und ich koche mir erst einmal einen Kaffee. Natürlich ist er sozial verträglich und trägt das SOZ-Siegel. Eigentlich ist mir SOZ egal, aber der Kaffee schmeckt einfach besser. Ich verlasse die Wohnung und gehe in die Arbeit – natürlich mit der U-Bahn, die ist ja kostenlos. Der  Infoscreen am Bahnsteig zeigt gerade Nachrichten von irgendwelchen Menschen, die sich schon wieder über irgendetwas streiten, weil irgendetwas schlecht ist. Mir egal, diese Negativität nervt!

In meiner Arbeit sagt mir mein Chef, dass ich nächste Woche nicht in Urlaub fahren kann, weil ein neuer Auftrag reinkam. Aber zu Glück gibt es inzwischen die ANR-App (ArbeitNehmerRecht). Über die App kontaktiere ich direkt meine Gewerkschaft, die online Klage erhebt und schon 2 Stunden später habe ich den virtuellen Gerichtsprozess gegen meinen Chef gewonnen. Nach der Arbeit gehe ich in mein Lieblingsrestaurant Z³. Hier gibt es nur Essen mir SOZ-Siegel und garantierter M150. Dass SOZ und M150 (150% Mindestlohn) gesünder sind als andere Speisen und Getränke, wurde erst kürzlich wieder in einer Studie nachgewiesen. Nachdem ich noch mit ein paar Freunden ein M150-Bier getrunken habe, gehe ich nach Hause und schau auf meinem KAL-Fernseher (KinderArbeitLos) die neueste Serie.

So könnte ein Tag mit sozialdemokratischem Lifestyle aussehen. Aber dann stelle ich mir die Frage: Lässt sich mit diesen Ideen überhaupt genug Geld verdienen, sodass es funktioniert? Mit Nachhaltigkeit, Bio und Grün kann man als Café-Betreiber*in, als Bio-Supermarkt aber auch als Großkonzern sehr viel Gewinn machen – aber kann man das mit sozialdemokratischem Lifestyle auch? Und dann komme ich zu dem Punkt an dem ich mich erinnere: Wollten wir als SPD nicht ursprünglich was gegen den Kapitalismus tun?

Am Ende meiner Gedankenkette bin ich genauso ratlos wie zuvor. Vielleicht ist das Grundproblem, dass am Ende die Menschen nur eines interessiert: Geht’s mir gut und schmeckt der Kaffee?

Tasja Prölß

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